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24. Aug 2022

Lesenswerte Neuerscheinung: „Auf der Bank“ von Christoph Schönberger

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Hauptstädte erfüllen in der Politik in der Regel zwei unterschiedliche Funktionen: zum einen bieten sie einen ganz realen Ort, damit Politik überhaupt stattfinden kann. Zum anderen bieten sie einen symbolischen Ort für das Selbstverständnis von Bürgerinnen und Bürger sowie ihre politischen Repräsentanten/innen. Gleiches ließe sich für Plenarsäle sagen: hier finden ganz real politische Debatten und Entscheidungen statt. Und sie symbolisieren in a nutshell die Grundprinzipien eines politischen Systems, etwa im Hinblick auf das Verhältnis von Parlament und Regierung (was allein schon in der unterschiedlich ausgeprägten Sitzordnung zum Ausdruck kommen kann). Über einen zentralen Bestandteil von Plenarsälen, nämlich die Regierungsbank im Parlament, hat der Rechtswissenschaftler Christoph Schönberger (Universität Köln) unter dem Titel „Auf der Bank“ ein äußerst interessantes und lesenswertes Buch veröffentlicht. Darin geht es nicht nur um konkrete Plenarsäle, etwa im Kaiserreich, in der Bonner Republik und im Berliner Reichstagsgebäude, aber auch in Italien und Großbritannien. Sondern es werden zugleich grundlegende (man könnte sagen: politikwissenschaftliche) Bestimmungsfaktoren deutlich, etwa zur Rolle der Regierung im politischen System sowie zu ihrem Selbstverständnis gegenüber dem Parlament.

Schönberger betont einleutend, dass der Plenarsaal „mehr als eine nur bautechnische Herausforderung [ist]. Die jeweilige Verfassung verdichtet sich vielmehr in diesem Raum und wird dort anschaulich. Die Topographie des Plenarsaals ermöglicht physisch das parlamentarische Geschehen und prägt zugleich die Vorstellungen, welche sich Teilnehmer und Zuschauer davon machen“. Und er ergänzt: „Will man der Gefahr der Überinterpretation entgehen, bedarf der jeweilige Plenarsaal einer historisch-komparativen Analyse, die ihn als physischen Raum im Kontext der Praktiken und Deutungen seiner Nutzer und Beobachter versteht. In jedem Fall gestalten parlamentarische Sitzungssäle die politische Interaktion mit und geben dieser gerade durch deren konkrete räumliche Gestaltung eine symbolische Form“.

Um langfristige Prägungen eines politischen Systems bzw. einer Gesellschaft zu verstehen, so schreibt Schönberger weiter, bedarf es „eines Vergleichs des deutschen Arrangements mit den Plenarsälen anderer Demokratien, einer Analyse der Entwicklungsgeschichte der deutschen Regierungsplätze und nicht zuletzt einer Beobachtung ihrer heutigen praktischen Nutzung. Der genauere Blick auf die Sitzordnung im Plenarsaal ermöglicht eine gleichsam taktile Erfassung der spezifisch deutschen Traditionslinien und Verhältnisse. In der parlamentarischen Raumordnung treten Eigenheiten und Merkwürdigkeiten der Demokratie in der Bundesrepublik besonders hervor und werden im wörtlichen Sinne greifbar“.

Auf der Seite des C. H. Beck-Verlages gibt es weitere Informationen zum Buch, eine umfangreiche Leseprobe eingeschlossen. Zu finden ist das Werk hier. Das Buch ist bereits für unsere Universitätsbibliothek bestellt.

Christoph Schönberger: „Auf der Bank. Die Inszenierung der Regierung im Staatstheater des Parlaments“, C. H. Beck Verlag, München 2022, 282 Seiten, 28,00 Euro, ISBN 978-3-406-79159-8.

Bildrechte liegen beim C. H. Beck Verlag.

Über Michael Kolkmann

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